Jeder hat es schonmal gehört, gesagt oder gedacht: „Parkour ist gefährlich!“ und „Parkour heißt, über Mülltonnen und Hausdächer zu überspringen“. Diesen und andere Sätze bekomme ich ständig zu Ohren, was im Rahmen der medialen Darstellung von Parkour und dem Ruf der „Hochhausspringer“ und „Adrenalinjunkies“ auch nicht anders zu erwarten ist. Wie sollen z.B. Eltern somit auch einen realischen Eindruck machen, und verstehen, dass Parkour mitunter die vollwertigste aller Disziplinen ist, da sie den Mensch als gesamt zu betrachtendes Bewegungsindividuum schult?
Wir geben hier etwas Aufschluss!
1) Parkour bringt Menschen zusammen
Die Parkour Community ist in Deutschland mittlerweile sehr groß geworden und Menschen trainieren zusammen. Dabei spielen kulturelle Herkunft, Geschlecht, Leistungsstand und Stil keine Rolle. Der Großteil meines Freundeskreises besteht aus Freerunner und Traceuren, sowie Sportbegeisterten Menschen. Diese ausnahmslose gemischte Bewegungskultur findet man sonst nur sehr selten. Auch sind Kurztrips in andere Städte in Deutschland oder Europa an der Tagesordnung und ein freies Bett oder eine freie Couch findet sich recht leicht. Die Freundlichkeit ist bei vielen Gleichgesinnten sehr groß und auch einfach ein fest verankerter Teil der Mentalität.
In den Parkourparks und städtischen Spots treffen sich zum Teil auch nur Interessierte oder Zuschauer. Vom 5 Jährigen hin zum 80 Jährigen -> Die Menschen entwickeln immer mehr Offenheit und sind interessiert an dem, was wir tun, finden es gut, dass wir uns fithalten und unserer Zeit nicht am Computer verbringen oder zombieartige Pseudespaziergänge mit Pokemon auf den Handy machen. Gut, wir haben das auch mal probiert 😉 Ist nicht so unsers!
2) Parkour als Weg zu mehr Selbstdisziplin
Sie kennen sicherlich so einige Videos aus dem Internet und stufen viele dieser Dinge als entweder gefährlich oder unmachbar ab. Wir schieben an dieser Stelle gleich die Ausnahmen zur Seite, die sich dadurch kennzeichnen lassen, dass Sie weder ordentlich trainieren, noch Sprünge in ihrem Level machen. Diese Personen machen im Übrigen für uns kein Parkour, sondern eifern Videos nach und sind nicht bereit, bei 0 anzufangen.
Nun aber zu der inneren Stärke: Stellen Sie sich mal vor, Sie erhalten die Aufgabe eine 3m hohe Mauer zu erklimmen; und hier sei gleich erwähnt, dass Sie das zu 99,9% schaffen können. Sie müssen aber nun etliche Versuche aufbringen, um vllt. die Kante überhaupt das erste Mal zu berühren. Eventuell erreichen Sie nach einer Zeit diese genannte Kante immer einfach, vllt. sogar mit jedem Sprung. Aber Sie rutschen ab oder können sich nicht hochziehen? Sie müssen nun überlegen, wie Sie das Problem lösen: Sind eventuell die Schnellkraft oder einfach die Technik nicht gut genug? Haben Sie nicht genug Greifkraft? Sind ihre Fingerkuppen nicht abgehärtet? Da Parkour keine festen Vorgaben hat, ist dies nun ein Prozess von eigener Disziplin –> Je mehr ich trainiere, je mehr ich meine Schwächen ausmerze, umso erfolgreicher bin ich. Diese Trainingseinstellung hilft, auch Hürden des Lebens einfacher zu nehmen, entspannter zu werden und generell einen besseren Fokus aufzubringen.
Viele unserer trainierenden Freunde und ehemaligen Schüler, die das Training dauerhaft durchführen, haben in ihrem Leben eine klarere Rolle eingenommen. Zudem versuchen wir auch immer Grundsätze, wie das ordentliche Hinterlassen von Trainingsorten, den freundlichen Umgang untereinanden, gegenseitiges Helfen und dem langsamen und sicheren Steigern von Training jedem Trainierenden nahezulegen. Also das hat ebenfalls einen Einfluss auf Disziplin. Ein guter Traceur gibt zudem niemals auf! Ich persönlich habe ebenfalls eine lange Palette an Momenten, an denen ich gerne aufgegeben hätte. Aber am Ende hat es sich immer ausgezahlt!
3) Parkour fördert die Kreativität
Das besondere an Parkour ist, dass es neben Basisbewegungen und dem prinzipiellen Gedanken des effizienten Weges von A nach B keine zwangsweise festgelegten Formen gibt. Jeder Traceur (=Parkourläufer; frz. für „der, der den Weg ebnet“) macht es sich zur Aufgabe, seine körperlichen Fähigkeiten zu schulen. Dabei gibt es keine Grenzen, da jeder andere Schwerpunkte und Ziele hat. Es werden sich ständig gegenseitig Herausforderungen inkl. Steigerungen gestellt -> „Komme ich die Wand hoch?“ -> „Komme ich diese Wand mit weniger Anlauf hoch?“ -> „Komme ich unter 5s die Wand hoch?“ usw. Dabei ist das nur ein ganze simple Idee: Es gilt dabei das Prinzip „Ist diese Idee umsetzbar?“ und wenn ja -.> „ist diese Idee auch noch immer umsetzbar, wenn ich dies oder das ändere, erschwere oder weglasse“.
Parkour bedient eine neue Form des Trainings, die nicht statisch an Regeln gebunden ist. Viele moderne Sportler und Bewegungskünstler bewegen sich ebenfalls schon lange weg von eintönigen Übungen, um den Mensch als Ganzes zu schüren. Darüber hinaus geht es natürlich nicht immer nur um das Erschweren im Rahmen des kreativen Prozesses, sondern viel mehr auch darum, Herausforderungen zu finden, die sich z.B. in Form von einer Kombination aus verschiedenen Bewegungen wiederspiegeln.
Es ist immer die eigene Entscheidung Hindernisse mitzubenutzen, oder eben nicht, sowie zu entscheiden, in welcher Form, welchem Tempo und in welcher (flüßigen) Kombination mit anderen, umliegenden Hindernissen und Objekten diese mit eingebaut werden. Erhöht sich das Fähigkeitenlevel des Einzelnen, so entdeckt er oft unterbewusst, sogar intuitiv neue Wege, obwohl er diese an alten (und neuen) Orten zuvor noch gar nicht angewandt hat.
4) Parkour als wahres Fitnesswunder
Das Training, auch mit vielen Einflüssen aus dem Turnen, Breakdancen, Capoeira, dem Kraftsport und anderen Bewegungs- und Kampfformen, ist unheimlich abwechslungreich, sofern richtig durchgeführt und sorgt nicht nur dafür, dass man in den Parkourbewegungen besser wird, sondern schult den Körper als Ganzes. Es ist wichtig, dass für die körperliche Vorbereitung und Aufrechterhaltung bis ins Alter kein Aspekt vergessen wird: Statisches Training an Geräten ist hier nicht an der Tagesordung, die wichtigen Themen gehen eher in Richtung Mobilität, Stretching, Krafttraining und Wiederholungen –> Es soll in jederlei Hinsicht ein starker Körper geschaffen werden, der den Belastungen von Sport standhalten kann, der auf Landungen auf höhe vorbereitet wird und der Schwachphnkte wie Meniskus, Kreuzband, Rotatoren, Gelenke usw. optimal schützt und stärkt.
Im zweiten Blick entsteht durch das intensive Training und dem Befassen mit dem Thema auch eine andere Sicht auf das Thema Ernährung: Wir möchten an dieser Stelle hier gar nicht so sehr auf Veganer, Vegetarierer, Fleischesser oder Mischkulturen eingehen -> Die Sache ist, dass die Trainierenden immer mehr auf gute Ernährung achten. Dabei ist es entscheidend, dass eine offenes Verständnis geschaffen und beibehalten wird. Der Großteil der langjährigen Parkourläufer ist im Übrigens heute extrem fit und wir sprechen da wirklich von Olympianiveau, was die Verfassung angeht. Aber wer aus dem Stand bis zu 4m weit springt und Hinernisse in Bruchteilen von Sekunden meistert, der hat bereits sehr sehr viel intensives Training hinter sich.
5) Parkour bedeutet, hilfreich zu sein
Parkour ist ein starkes Mittel zu mehr Offenheit und Hilfsbereitschaft. Der Ursprung von Parkour stammt im Übrigens aus dem Vietnamkrieg, Kindersoldaten haben damals die effizienten Techniken (eine Um/Abwandlung der Méthode Naturelle von Georges Hébert gelernt, um so schnell wie möglich von A nach B zu flüchten. Auch Raymond Belle, der Vater des Gründers von Le Parkour wie wir es heute kennen, nutzte nach dem Krieg diese erlenten Techniken, um als Feuerwehrmann Menschen zu retten. Natürlich sind wir als Traceure nicht alle gewillt, die nächste Karriere bei der Feuerwehr einzugehen, aber es geht hier um anderen Dinge: Durch Parkour kann man schneller Hilfe holen, als andere Menschen, man kann sich aus Gefahrensituationen rausziehen und retten, kann in brenzligen Situation flüchten, den Taschendieb mit Leichtigkeit fangen oder durch den Einsatz seiner „gestählten“ Muskeln auch einfach der Großmutter helfen, ihre Einkaufstüten zu tragen.
Das sind alles natürlich kleine Beispiele, aber fit, schnell und stark zu sein bedeutet immer, dass man auf vieles besser vorbereitet ist, als Andere. Die Grundphilosophie von Parkour ist im Ürbigen: „Être fort pour être utile“ –> „Sei stark um nützlich zu sein“. Selbst wenn der Nutzen nur darauf besteht, andere Menschen wieder zu begeistern und das Feuer für Bewgung und damit einhergehend mehr Gesundheit zu entfachen, hat man treu nach diesem Grundsatz gehandelt. Es ist eins der wichtigsten Überlieferungen vom Begründer von Parkour und spielt auch für uns bei ParkourLernen eine große Rolle. Wir möchten diesen Gedanken immer weitergeben und versuchen früh, aus Schülern hochmotivierte Juniortrainer zu machen, die unsere Botschaft weitergeben können.
In diesem Sinne, danke für eure Aufmerksamkeit, viel Spaß beim Training!
Es werden weitere Artikel in den nächsten Wochen folgen!
– Daniel